Nachvollziehbar, dass die Bedingungen für das Schweißen von Druckrohleitungen am Berg herausfordernd sind. Dazu resümiert Marcus Pietsch, Kremsmüller: „Natürlich ist eine Baustelle im hochalpinen Gelände nicht mit einer Arbeit im Werk zu vergleichen. Oft sind Arbeiter 1 bis 1,5 km tief im Tunnel drin und müssen dennoch sicherstellen, dass in einem entsprechenden Temperaturbereich ordentlich geschweißt bzw. sogar nachbehandelt wird.“ Beispielweise müssen auf der Baustelle sowohl die Energieversorgung als auch die Heizaggregate immer redundant bereitgestellt werden, um die definierten Temperaturfenster aufrechtzuerhalten. „Wenn dann etwas ausfällt und darum die Haltetemperatur einen definierten Zeitraum nicht gehalten werden kann, entsteht ein Problem, das von Fachleuten analysiert werden muss. Die Werkstoffe und die Zusätze müssen daher eine definierte Bandbreite in der Bearbeitung ermöglichen.“
Rainer Maldet, ehemals TIWAG, erklärt aus seiner jahrelangen Erfahrung bei Kraftwerksprojekten, dass die Schweißer für das Kaunertal erst nach einem bestandenen Test an bauteilähnlichen Schweißstücken an der Druckrohleitung arbeiten durften. Schon im Vorfeld wurde daher mit einer Art Benotungsschlüssel festgestellt, ob vom Schweißer die geforderte Qualität erbracht werden kann. Maldet kritisch: „Die Schweißnormen schreiben vor, dass ein Blech bei den Verfahrensprüfungen nur eine Länge von 300 – 400 mm hat. Das bildet natürlich niemals einen großen Bauteil ab. Darum ließen wir Bleche schweißen mit einer Länge von ein bis zwei Meter – also möglichst bauteilnahe Komponenten. Erst wenn dieser Test erfolgreich war, wurde ein kompletter Rohrschuss, wie er dann eingebaut wird, geschweißt. Als Auftraggeber wollen wir möglichst sicher sein, dass das Gewerk in vorgegebener Qualität errichtet wurde.“ Maldet fasst zusammen, dass „die Schweißnormen den Anforderungen der Praxis im Druckschachtbau nur bedingt entsprechen“.
Wippersberger, ÖBB, bestätigt ebenfalls den ausschlaggebenden menschlichen Faktor: „Es hat sich das Bewusstsein verstärkt, dass an der Handfertigkeit ein sehr hohes Qualitätslevel vom Endprodukt hängt. Daher ist heute der Qualitätsanspruch an Schweißer höher als vor zehn bis 15 Jahren. Je kritischer die Materialien, desto mehr bestimmt der Faktor Mensch die Qualität des Bauteils.“
Einhelliger Tenor in der Gesprächsrunde ist, dass neben Schweißgut und -verfahren letztlich die Qualität der Schweißer sowie die Prüfung des Endergebnisses für das Gelingen von High-Endprojekten immer ausschlaggebend sind. „Wenn der Schweißer nicht über die Handfertigkeiten verfügt, obwohl er vielleicht alle entsprechenden Zeugnisse hat, dann wird es nix“, bringt es Meusburger von der TU Graz auf den Punkt. Praktiker wie Hannes Gattermayer von Kremsmüller empfehlen daher einen längeren Qualifikationsprozess, um in diesem Bereich top zu sein, „der mit einer Prüfung aber wenig zu tun hat, weil eine Prüfung immer rasch abgeschlossen ist“. Ergänzend merkt Andreas Duftschmied, ebenfalls Kremsmüller, an, dass die Anzahl der Schweißer, die den höchsten Qualifikationsansprüchen genügen, sehr gering ist. „Kremsmüller setzte beispielsweise in einem solchen Projekt auf ein Training von Schweißern zu High-End-Schweißern, die in der Folge vom TÜV geprüft wurden und erst dann auf die Baustelle kamen“, erläutert Pietsch. „Leider ist es so, dass eine Schweißprüfung absolut nichts mit dem Level zu tun hat, auf dem wir uns in der Druckschachtpanzerung bewegen.“ Dazu komme, dass ein Schweißer regelmäßig Übung benötige, um im Metier top zu sein bzw. zu bleiben.
Gregor Kremsmüller, Miteigentümer der Kremsmüller Gruppe, bejaht, dass aufgrund der Entwicklung der Materialtechnik die Ansprüche steigen. „Die Fähigkeiten der Facharbeiter kommen damit wieder in den Mittelpunkt und das ist gut so“, erklärt Kremsmüller abschließend.